Donnerstag, 20. Oktober 2005

Die Renaissance der 6

Viel Lob erhält diese Woche Martin Demichelis von Bayern München für sein Spiel in der Champions League-Begegung gegen Juventus Turin.

Dabei spielt Demichelis auf der Position im defensiven Mittelfeld (der 6 in einer Zeit als Trikotnummern noch Trikotnummern waren), die jahrelang im Schatten des "eigentlichen" Spielmachers stand.
Oft genug dienten die Spieler auf dieser Position allein dazu, für den Künstler mit der 10 die Drecksarbeit zu verrichten. Sie vertraten einen Netzer oder Cruyfff im Defensivspiel, erobeterten den Ball, um ihn umgehend dem auf einmal wieder am Spielgeschehen teilnehmenden Spielmacher abzugeben.

In den 90ern, dem Jahrzehnt des Rasenschachs, verschwand der 6er (wie der 10er) im Verschiebebahnhof des querspielenden Kombinationsfußballs. Ziel war es nun, den Ball möglichst lange in den eigenen Reihen zu halten und durch permanentes Verschieben und Passen die Lücke in der gegnerischen Defensive zu suchen, die zum Torerfolg führen konnte. Gesucht wurde der ballsichere und taktisch geschulte Allrounder, der sich in dieses System einfügte.
Höhepunkt und Ikone dieser Spielweise war das 94er-WM-Finale zwischen Brasilien und Italien. Beide Mannschaften neutralisierten sich auf taktisch hohem Niveau, spielten sich im Mittelfeld den Ball zu, während der Gegner seinen Defensivverbund parallel zum Lauf des Balles verschob. Jeder wusste, der erste Fehler würde das Spiel entscheiden. Zum Leidwesen der Zuschauer machte Italiens Star Roberto Baggio diesen Fehler erst im Elfmeterschießen.

Am Ende dieses Jahrzehnts stellten die Trainer jedoch fest, dass die meisten Tore in den ersten 20 Sekunden nach Balleroberung fielen. Nicht mehr abwartendes Rasenschach galt als Maxime erfolgreichen Fußballs. Das schnelle Umschalten von Abwwehr auf Angriff, das rasche Überbrücken des Mittelfelds wurden die Waffen der Zeit (und sind es bis heute).

Damit rückt die 6 in den Mittelpunkt des Geschehens. In seinem angestammten Wirkungsbereich zwischen Mittellinie und Strafraumgrenze soll dem Gegner der Ball abgejagt werden. Während die gegnerische Mannschaft noch in der Vorwärtsbewegung ist, wird versucht, über wenige Stationen zum erfolgreichen Abschluss zu kommen.

Die Position der 6 erfordert deswegen heute mehr als nur defensive Qualitäten. Der Mann im defensiven Mittelfeld muss in der Lage sein, das Spiel zu eröffnen und zu gestalten. Aus dem Abräumer wird ein Umschaltspieler und die zentrale Figur des Spielgeschehens.

Demichelis hat am Dienstagabend eine solche 6 gespielt und damit einen Hauch von modernem Fußball durch ein Stadion der oft und zurecht als taktisch rückständig kritisierten Bundesliga wehen lassen.

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