Unerfahrenheit, Ungeduld, Unsicherheit
oder
Warum der 1.FC Köln steht, wo er steht
Nach dem vierten Abstieg innerhalb von acht Jahren entschied sich der 1.FC Köln Ende der vergangenen Saison zu einem Richtungswechsel.
Wurde bis dahin um das Rumpfteam des Abstiegsjahres eine neue Mannschaft gebildet, die souverän auf- und sang-und klanglos wieder abstieg, sollte dieses Jahr der große Schnitt gemacht werden.
Ziel war es, eine Mannschaft zusammenzustellen, die aufsteigen kann und das Potenzial besitzt, sich - punktuell verstärkt - in der ersten Liga zu behaupten.
Mit dieser Aufgabe betraute der Verein um Präsident Wolfgang Overath die zweitligaunerfahrenen Meier und Latour.
Beide stellten einen Kader zusammen, in dem sich durchaus gute Fußballer befinden, der aber fast komplett ohne Zweitligaerfahrung auskommen muss. Allein die Ergänzungsspieler Scherz und Cullmann besitzen nennenswerte Zweitligaerfahrung, 18 der 24 Lizenzspieler wiesen vor der Saison jedoch null Zweitligaspiele auf.
Entsprechend hilfos reagiert die Mannschaft, sieht sie sich einem verbissen jeden Grashalm verteidigenden Gegner gegenüber, für den diese großangelegte Fußballverhinderungsschlacht gegen den 1.FC Köln das Spiel des Jahres darstellt. Schlechte und katatrophale Spiele in Jena, Paderborn, Unterhaching und Koblenz waren die Folge. Dort wo der Alltag der Liga auf den 1.FC Köln wartet.
Niemand hat die Mannschaft auf diese Spiele vorbereitet. Vor der Saison spielte man Testspiele gegen höherklassige Vereine, während der Saison fehlten die Verantwortlichen im Verein, die der Mannschaft die dringend benötigte Hilfestellung geben konnten. Präsident Overath gefällt sich in der Rolle des grantelnden Weltmeisters, für den jeder Fehlpass eine Beleidigung seiner Person und der ruhmreichen Vergangenheit des 1.FC Köln darstellt.
Hilfreich ist das nicht. So potenziert sich die Verunsicherung der Mannschaft, die aus Unerfahrenheit Fehler macht, dafür von der Presse, den Fans und dem eigenen Verein abgestraft wird, zu einer Leistung wie gegen Aue. Denn was gestern Abend geboten wurde, war keinesfalls Arbeitsverweigerung, es war pure Hilflosigkeit.
Freilich weiß niemand, ob diese Truppe mit diesem Trainer nicht doch noch die Kurve gekriegt hätte. Dass sie Fußball spielen kann, hat sie in den Spielen gegen Schalke, Burghausen und Braunschweig, aber auch (zumindest mit Abstrichen) in den Auftritten gegen Karlsruhe und Rostock bewiesen.
Insofern ist die heutige Entlassung von Hanspeter Latour mehr Aktionismus als planvolles Wirken einer verantwortungsbewussten Vereinsführung. Sie ist eine Reaktion aus Ungeduld und Druck von außen.
Dabei ist Trainer Latour tatsächlich nicht unschuldig an der Misere. Er begann die Saison erfolgreich mit einem klaren 4-2-2-2, teilweise flüssigem Kombinationsspiel und druckvollem, aggressivem Pressing und Spiel nach vorn.
Nach der Verpflichtung von Wunschstürmer Miljove Novakovic stellte er zunächst auf ein 4-3-3 um, was die Mannschaft zum Anlass nahm, das Kombinationsspiel weitgehend einzustellen. Als Patrick Helmes verletzt ausfiel, verlor der Trainer endgültig seine Linie. Von Kombinationspiel und Aggressivität war bis auf Ausnahmen nicht mehr viel zu sehen.
Zunächst stellte Latour auf ein 4-1-3-2 um, schob Broich auf die rechte Außenbahn und holte ihn erst gegen Schalke wieder ins Zentrum zurück. Broich bedankte sich mit einem sehr guten Spiel, aber die Harmlosigkeit der Schalker täuschte vielleicht über die Schwächen der neuen Aufteilung hinweg.
Denn nun standen sich in der Mitte Broich und Cabanas gegenseitig im Weg, während der linke Flügel offensiv unbesetzt blieb und der linke Verteidiger Fabrice Ehret seine Außenbahn allein beackern musste.
Folge: Ehret machte Fehler und durfte das Koblenzspiel über weite Strecken von der Bank aus verfolgen. Statt seiner blamierte sich Rechtsverteidiger Carsten Cullmann auf der ungewohnten linken Position. Noch während des Spiel korrigierte Latour seinen Fehlgriff und brachte Ehret, nur um im Heimspiel gegen Aue gleich zwei neue Fehlgriffe zu tätigen: Er ersetzte mit Alpay den einzigen verbliebenen Kämpfer nach Lagerbloms Ausfall durch Marvin Matip und verzichtete komplett auf ein defensives Mittelfeld. Dafür brachte er links endlich Dennis Epstein, der nach starkem Beginn komplett die Orientierung verlor.
Zur Halbzeit beendete Latour das Experiment mit zwei Außen, brachte mit Baykal einen defensiven Mittelfeldspieler und mit Chihi einen dritten Stürmer.
Eingespieltere Mannschaften als die neu zusammengestellte Geißbockelf tun sich mit einer derart großen Zahl an Umstellungen schwer.
Dennoch: dem Trainer allein die Schuld an der derzeitigen Misere anzulasten, wäre falsch. Vielmehr hat der gesamte Verein mindestens einmal in den vergangenen vier Monaten eine verhehrende Fehleinschätzung getroffen. Entweder im Sommer bei der Zusammenstellung des Kaders und der Ausrichtung der Vorbereitung oder jetzt im November bei der raschen Entlassung von Hanspeter Latour.
Was der Verein jetzt bräuchte, wäre ein durchdachtes sportliches Konzept. Eine klare sportliche Ausrichtung des ganzen Vereins von der Profimannschaft bis hinab zu den Jugendmannschaften. Ein gut organisiertes, zielgerichtetes Scouting, das unabhängig funktioniert und daraus resultierend ein Anforderungsprofil für einen neuen Cheftrainer.
Doch wie immer bei Trainerwechseln mitten in der Saison ist für so etwas gerade keine Zeit. Deshalb wird auch das nächste Konzept, dass der 1.FC Köln stolz als seines präsentiert, aus einem Wort bestehen: dem Namen des neuen Trainers.
Und aller Wahrscheinlichkeit wird auch dieses Konzept scheitern, wie das Konzept Latour und das Konzept Rapolder (und im Grunde auch die Konzepte Lienen, Funkel und Stevens).
Weil der Verein seine Identität nicht aus dem Fußball ableitet, sondern aus der Vergangenheit. Und aus den Fans. Denn mehr hat er nicht.
Warum der 1.FC Köln steht, wo er steht
Nach dem vierten Abstieg innerhalb von acht Jahren entschied sich der 1.FC Köln Ende der vergangenen Saison zu einem Richtungswechsel.
Wurde bis dahin um das Rumpfteam des Abstiegsjahres eine neue Mannschaft gebildet, die souverän auf- und sang-und klanglos wieder abstieg, sollte dieses Jahr der große Schnitt gemacht werden.
Ziel war es, eine Mannschaft zusammenzustellen, die aufsteigen kann und das Potenzial besitzt, sich - punktuell verstärkt - in der ersten Liga zu behaupten.
Mit dieser Aufgabe betraute der Verein um Präsident Wolfgang Overath die zweitligaunerfahrenen Meier und Latour.
Beide stellten einen Kader zusammen, in dem sich durchaus gute Fußballer befinden, der aber fast komplett ohne Zweitligaerfahrung auskommen muss. Allein die Ergänzungsspieler Scherz und Cullmann besitzen nennenswerte Zweitligaerfahrung, 18 der 24 Lizenzspieler wiesen vor der Saison jedoch null Zweitligaspiele auf.
Entsprechend hilfos reagiert die Mannschaft, sieht sie sich einem verbissen jeden Grashalm verteidigenden Gegner gegenüber, für den diese großangelegte Fußballverhinderungsschlacht gegen den 1.FC Köln das Spiel des Jahres darstellt. Schlechte und katatrophale Spiele in Jena, Paderborn, Unterhaching und Koblenz waren die Folge. Dort wo der Alltag der Liga auf den 1.FC Köln wartet.
Niemand hat die Mannschaft auf diese Spiele vorbereitet. Vor der Saison spielte man Testspiele gegen höherklassige Vereine, während der Saison fehlten die Verantwortlichen im Verein, die der Mannschaft die dringend benötigte Hilfestellung geben konnten. Präsident Overath gefällt sich in der Rolle des grantelnden Weltmeisters, für den jeder Fehlpass eine Beleidigung seiner Person und der ruhmreichen Vergangenheit des 1.FC Köln darstellt.
Hilfreich ist das nicht. So potenziert sich die Verunsicherung der Mannschaft, die aus Unerfahrenheit Fehler macht, dafür von der Presse, den Fans und dem eigenen Verein abgestraft wird, zu einer Leistung wie gegen Aue. Denn was gestern Abend geboten wurde, war keinesfalls Arbeitsverweigerung, es war pure Hilflosigkeit.
Freilich weiß niemand, ob diese Truppe mit diesem Trainer nicht doch noch die Kurve gekriegt hätte. Dass sie Fußball spielen kann, hat sie in den Spielen gegen Schalke, Burghausen und Braunschweig, aber auch (zumindest mit Abstrichen) in den Auftritten gegen Karlsruhe und Rostock bewiesen.
Insofern ist die heutige Entlassung von Hanspeter Latour mehr Aktionismus als planvolles Wirken einer verantwortungsbewussten Vereinsführung. Sie ist eine Reaktion aus Ungeduld und Druck von außen.
Dabei ist Trainer Latour tatsächlich nicht unschuldig an der Misere. Er begann die Saison erfolgreich mit einem klaren 4-2-2-2, teilweise flüssigem Kombinationsspiel und druckvollem, aggressivem Pressing und Spiel nach vorn.
Nach der Verpflichtung von Wunschstürmer Miljove Novakovic stellte er zunächst auf ein 4-3-3 um, was die Mannschaft zum Anlass nahm, das Kombinationsspiel weitgehend einzustellen. Als Patrick Helmes verletzt ausfiel, verlor der Trainer endgültig seine Linie. Von Kombinationspiel und Aggressivität war bis auf Ausnahmen nicht mehr viel zu sehen.
Zunächst stellte Latour auf ein 4-1-3-2 um, schob Broich auf die rechte Außenbahn und holte ihn erst gegen Schalke wieder ins Zentrum zurück. Broich bedankte sich mit einem sehr guten Spiel, aber die Harmlosigkeit der Schalker täuschte vielleicht über die Schwächen der neuen Aufteilung hinweg.
Denn nun standen sich in der Mitte Broich und Cabanas gegenseitig im Weg, während der linke Flügel offensiv unbesetzt blieb und der linke Verteidiger Fabrice Ehret seine Außenbahn allein beackern musste.
Folge: Ehret machte Fehler und durfte das Koblenzspiel über weite Strecken von der Bank aus verfolgen. Statt seiner blamierte sich Rechtsverteidiger Carsten Cullmann auf der ungewohnten linken Position. Noch während des Spiel korrigierte Latour seinen Fehlgriff und brachte Ehret, nur um im Heimspiel gegen Aue gleich zwei neue Fehlgriffe zu tätigen: Er ersetzte mit Alpay den einzigen verbliebenen Kämpfer nach Lagerbloms Ausfall durch Marvin Matip und verzichtete komplett auf ein defensives Mittelfeld. Dafür brachte er links endlich Dennis Epstein, der nach starkem Beginn komplett die Orientierung verlor.
Zur Halbzeit beendete Latour das Experiment mit zwei Außen, brachte mit Baykal einen defensiven Mittelfeldspieler und mit Chihi einen dritten Stürmer.
Eingespieltere Mannschaften als die neu zusammengestellte Geißbockelf tun sich mit einer derart großen Zahl an Umstellungen schwer.
Dennoch: dem Trainer allein die Schuld an der derzeitigen Misere anzulasten, wäre falsch. Vielmehr hat der gesamte Verein mindestens einmal in den vergangenen vier Monaten eine verhehrende Fehleinschätzung getroffen. Entweder im Sommer bei der Zusammenstellung des Kaders und der Ausrichtung der Vorbereitung oder jetzt im November bei der raschen Entlassung von Hanspeter Latour.
Was der Verein jetzt bräuchte, wäre ein durchdachtes sportliches Konzept. Eine klare sportliche Ausrichtung des ganzen Vereins von der Profimannschaft bis hinab zu den Jugendmannschaften. Ein gut organisiertes, zielgerichtetes Scouting, das unabhängig funktioniert und daraus resultierend ein Anforderungsprofil für einen neuen Cheftrainer.
Doch wie immer bei Trainerwechseln mitten in der Saison ist für so etwas gerade keine Zeit. Deshalb wird auch das nächste Konzept, dass der 1.FC Köln stolz als seines präsentiert, aus einem Wort bestehen: dem Namen des neuen Trainers.
Und aller Wahrscheinlichkeit wird auch dieses Konzept scheitern, wie das Konzept Latour und das Konzept Rapolder (und im Grunde auch die Konzepte Lienen, Funkel und Stevens).
Weil der Verein seine Identität nicht aus dem Fußball ableitet, sondern aus der Vergangenheit. Und aus den Fans. Denn mehr hat er nicht.
Suedtribuene - 9. Nov, 15:18