Freitag, 11. November 2005

Wir sind nur ein Karnevalsverein

Der 1.FC Köln boomt. Den Dauerkartenverkauf musste der Verein vor der Saison bei knapp 27.000 Karten einstellen. Rekord. Die Mitgliederzahl des Vereins strebt zügig gegen die 30.000 und hat sich damit in den vergangenen vier Jahren mehr als verdreifacht. Mit 38.500 Zuschauern stellte der Verein im vergangenen Jahr einen Zuschauerrekord für die zweite Liga auf. Dieses Jahr waren die meisten Heimspiele mit 50.000 Zuschauern ausverkauft.

Mit all diesen Zahlen befindet sich der FC in den Top5 des deutschen Fußballs. Nur der sportliche Erfolg entspricht dem in keinster Weise. "Alles in diesem Verein ist erstklassig, außer der Mannschaft", wie ein Vorstandsmitglied nach dem letzten Abstieg resigniert feststellte.

Dass der Boom um den Fußball und das Produkt selber nicht in einem adäquaten Verhältnis zueinander stehen, ist kein Kölner Phänomen, sondern Bundesligatypisch. In Köln jedoch gelang es dem Verein seine Vermarktung fast komplett vom sportlichen Erfolg zu lösen.

Schon immer war der Eff-Zeh tief in der Stadt (und fast mehr noch ihrem Umland) verwurzelt. Mit Dom und Karneval bildet er das traditionsreiche Triumvirat kölscher Außenwirkung.

Auf den Rängen des alten wie neuen Müngersdorfer Stadions gehörten Karnevalslieder entsprechend früh zum musikalischen Repertoire. "In unserem Veedel", die eigentliche Hymne der Stadt, fehlt bei keinem Heimspiel und auf keiner Auswärtsfahrt.

Die Hooligans im alten Block 38 texteten vor Jahren schon den Karnevalsschalger "Wir sin kölsche Mädche, han Spitzeböxje an" in "Wir sin kölsche Jonge, han Spitzeböxje an" um und durften sich anschließend einer possierlichen Erkennungsmelodie rühmen, die in keinster Weise ihrem Auftreten entsprach. Kurz danach schmetterte auch die Südkurve das Lied. Ex-FC-Kapitän Dirk Lottner nahm es später sogar einmal mit der Sängerin Et Fussich Julchen auf CD auf.

Diese Entwicklungen in der Fan-Szene aufgreifend, setzte auch die Stadionregie vermehrt auf kölsches Liedgut. Mittlerweile ist "Viva Colonia" aus dem Vorprogramm nicht mehr wegzudenken und auch die Vereinshymne entstammt der Feder der Karnevalskapelle Höhner. Bei den "Auswärtsderbys" gegen Fortuna Köln in den ersten Zweitligajahren waren die Anhänger des FCs regelrecht verstört im Vorfeld des Spiels keine kölschen Tön zu hören.

Steffen Baumgart, seinerzeit in Diensten Hansa Rostocks, verdächtigte die Kölner gar gemeiner psychologischer Tricks. Das kölsche Liedgut beim Aufwärmen diene dazu, die gegnerischen Mannschaften zu zermürben, so seine Vermutung. Ein Irrtum. Denn nichts liegt dem Kölner ferner als der Gedanke, dass jemand seine Liebe zu den Kölsche Tön nicht teilen könnte.

Zugleich warb der FC mit dem Slogan "Werde Teil der großen FC-Familie" um neue Mitglieder. Beides, kölsche Tön und FC-Familie, bilden die zentralen Elemente der kölschen Marke FC. Die Heimspiele des Clubs sind nicht mehr nur Fußballspiele, sie sind zweiwöchentlich stattfindende kölsche Familienfeste. Das Jefööhl, die hemmungslose Emotionalität des FC-Anhangs, trägt diese Feste. So treffen sich samstäglich Fußball, Familich, Liedgut und Jefööhl zu einem kölschen Konglomerat, dass den Nerv des echten Rheinländers ebenso trifft wie den des gefühlten Kölners.
Denn ebenso wie es den gebürtigen Kölner gibt, gibt es den Kölner aus Überzeugung. Mir hat nicht nur meine Aachener Verwandtschaft bei Familienfesten voller Begeisterung "Viva Colonia" vorgesungen. Im Urlaub passiert es einem als Kölner schon einmal, dass sich einem Leute mit einem begeisterten "Wir sind auch Kölner! Aus Koblenz!" an den Hals werfen.

Buchstäblich die Krone setzt dem ganzen der Rummel um Lukas Podolski auf. Denn was dem Kölner im Karneval unverzichtbar ist, fehlte dem FC über Jahre: ein Prinz. Kein Pierre Littbarski, kein Toni Polster, kein Dirk Lottner (der sonst so kölsch war wie kein andere FC-Profi vor ihm) konnte diese Lücke füllen. Wer auch immer den A-Jugendspieler Podolski zu Prinz Poldi erkor, er lieferte dem kölschen Kunstwerk 1.FC Köln das Tüpfelchen auf dem i.
Heute, am 11.11. beginnt in Köln wieder die Session. Morgen spielt der kölsche Prinz, Stolz einer ganzen Stadt, in Paris gegen den ehemaligen Weltmeister aus Frankreich.

Das Spiel lesen können...

fussball2

Am kommenden Dienstag, den 15.11. um 20:00 liest Schauspieler Tom Schwebe, stadtbekanntes und -gefürchtetes Bunte-Liga-Abwehr-Bollwerk, im Bürgerhaus Stollwerk in Köln wieder Fußball-Texte u.a. von Fritz Eckenga, Joachim Krol, Klaus Theweleit, Nick Hornby, Robert Gernhardt, Christoph Biermann und meiner Wenigkeit.

Außerdem hat er angedroht zu singen. Das wäre zwar ein Grund, das Bürgerhaus Stollwerk an diesem Abend weiträumig zu umfahren. Aber Texte und Auftritt sind in jedem Fall einen Besuch wert.

Und wie gesagt: Wer es schafft, Tom die Hand zu geben, ist nur noch einen Handschlag von Pele entfernt.

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