Donnerstag, 13. Oktober 2005

Stefans kleines Taktiktäfelchen

Auch wenn ich das eine oder andere schon an anderer Stelle geschrieben habe, doch noch ein paar Sätze zu den beiden Länderspielen.
Dabei will ich erst gar nicht mit den Nebenkriegsschauplätzen anfangen (Gegrummel in der Bundesliga, Fitness-Testchen, Kalifornien oder Bottrop), sondern mal die Frage stellen, ob das aktuelle Spielsystem das Richtige für diese Mannschaft ist.

Wie die Bundesligaspitzenvereine spielt die Nationalmannschaft ein 4-4-2 mit Raute im Mittelfeld. Die Vorteile liegen auf der Hand, denn die meisten Spieler sind mit diesem System vertraut, müssen sich in der Nationalmannschaft nicht umstellen.

Allerdings offenbart das System einige Schwächen, die vor allem mit der mangelhaften Defensivarbeit des Mittelfeldes zusammenhängen. In der Raute müssen die beiden Außenspieler im Mittelfeld bei gegnerischem Ballbesitz zurück hinter den Ball, um die Abwehr zu unterstützen. Dies umso mehr, als wir in der Nationalmannschaft im Gegensatz zu den Vereinen auf den vorderen Plätzen der Liga, junge, unerfahrene Abwehrspieler haben, die allein gelassen schlicht überfordert sind.

Ein Ismael, ein Bordon können mit so einer Situation umgehen, weil sie die Klasse, vor allem aber die Erfahrung haben. Ein Metzelder, ein Mertesacker, ein Huth, ein Sinkiewicz können das nicht.

Bessere Innenverteidiger haben wir aber nicht. Wörns hat gegen die Niederlande deutlich gezeigt, dass er keinen Deut besser spielt als die Jungen. Warum also einen Wörns ohne eine langfristige Perspektive spielen lassen, wenn ein Sinkiewicz, ein Mertesacker oder ein Huth mit jedem Länderspiel dazulernen und besser werden (als Wörns)?

Allerdings muss die Spielweise der Mannschaft dieser Unerfahrenheit Rechnung tragen. Deshalb wäre ein zweiter defensiver Mittelfeldspieler, der mit die Räume vor der Viererkette besetzt, eine Entlastung für den Kinderriegel.

Statt der Raute also ein 4-4-2 mit zwei Defensiven im Mittelfeld (aufgedröselt: 4-2-2-2 statt 4-1-2-1-2).

Mit Ballack haben wir einen Spieler, der diese Position herausragend spielen kann. Er hat sie gelernt und sagt selber, dass er sie dem Part hinter den Spitzen vorzieht: "Ich habe das Spiel gerne vor mir." Auch seine Spielweise, sein enormer Aktionsradius im Mittelfeld und seine Bereitschaft eben auch die Drecksarbeit zu machen, sprechen dafür ihn eher defensiver einzusetzen.

Vor diesem Doppel im defensiven Mittelfeld können auf den Außenbahnen, weniger auf den Halbpositionen Schweinsteiger und Deisler spielen. Beide sind defensiv bemüht, aber schwach, und würden durch Ballack und Frings oder Ernst hinter ihnen von Defensivaufgaben entlastet.

Die Lücke, die damit im zentralen offensiven Mittelfeld entsteht, ist auf den ersten Blick ein Nachteil, bei näherer Betrachtung aber ein großes Plus, weil in der Mannschaft gleich zwei Spieler stehen, die diese Lücke im 4-4-2 schließen können und wollen.

Zum einen Ballack aus der Defensive heraus, zum anderen Podolski, der sich ohnehin gerne zurtückfallen lässt.

Damit bietet diese Spielweise auch in der Offensive Vorteile: Defensiv entlastete Außen und ein schwerer auszurechnendes Spiel in der Zentrale mit dem Auf und Ab von Ballack und Podolski.

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